Startseite Archiv Tagesthema vom 01. Februar 2016

#Religramme - Gesichter

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In einem Gewerbegebiet von Hannover liegt der Duft indischer Räucherstäbchen in der Luft. Hinter der Fassade eines unscheinbaren Gebäudes verbirgt sich Norddeutschlands größter hinduistischer Tempel. Zwischen Götterfiguren und Kerzen sitzt der 38-jährige Balsubramanian Ramani mit geschlossenen Augen auf dem Boden und lauscht dem monotonen Gesang des Priesters. Ramani ist einer von 20 Vertretern unterschiedlicher Religionen aus Niedersachsen, die sich seit Mitte Januar in Wolfsburg in einer neuen Wanderausstellung „#Religramme - Gesichter der Religionen“ präsentieren.

Für die Ausstellung hat Ramani sich im Tempel und zu Hause fotografieren lassen und erzählt in einem Interview von seinem Leben. Ihm ist dabei wichtig, eine ehrliche Perspektive auf den Glauben zu vermitteln. „Für mich ist Hinduismus nicht nur Religion, sondern eine Lebensweise“, sagt er. Der aus Indien stammende promovierte Naturwissenschaftler nimmt mehrmals in der Woche an den Ritualen im Tempel teil. Auch zu Hause betet er jeden Morgen und jeden Abend. „Ich danke dafür, dass ich den Tag überlebt habe, es kann ja immer etwas passieren.“

Der Ausstellungsmacher, Professor Wolfgang Reinbold von der hannoverschen Landeskirche, nennt das Projekt bundesweit einmalig. In Deutschland habe die Vielfalt der Glaubensrichtungen in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen. Diese Entwicklung werde durch die hinzukommenden Flüchtlinge noch verstärkt. „Dieser multireligiösen Realität geben wir Gesichter.“ In den kommenden anderthalb Jahren wird die Ausstellung landesweit an 15 Orten gezeigt.

Die Wanderausstellung soll Reinbold zufolge auch den Dialog der Religionen fördern. Insgesamt 20 Frauen und Männer aus 20 Religionsgemeinschaften werden auf Schautafeln porträtiert. Neben den Jesiden sei das Christentum mit fünf Personen aus fünf Glaubensrichtungen vertreten, dazu je vier Muslime, Juden und Buddhisten sowie zwei Hindus. In anderen Ländern wollten Menschen dieser Religionen oft nichts miteinander zu tun haben. „Wir zeigen damit auch, dass ein friedvolles Miteinander möglich ist.“ Ein begleitendes Buch zur Ausstellung erkläre die Hintergründe der Glaubensrichtungen.

Um besonders jungen Menschen einen möglichst einfachen Einstieg in die Welt der Religionen zu geben, informieren die 20 Protagonisten zudem im Internet über ihren Alltag. Im sozialen Foto-Netzwerk „Instagram“ veröffentlichten sie private Bilder unter dem Hashtag „#religramme“, erläutert Reinbold, der auch Vorsitzender des Vereins „Haus der Religionen“ in Hannover ist.

Die lutherische Vertreterin Wencke Breyer hat unter anderem in einem Park ihr Smartphone gezückt, ein Foto gemacht und es gepostet. Sie sei an diesem Tag bewusst „mit der biblischen Tageslosung im Kopf“ durch die Natur gelaufen, sagt die 38-Jährige. Vor allem erhofft sie sich von der Ausstellung einen stärkeren Dialog zwischen den Religionen, sagt Breyer, die sich in ihrer Freizeit vor allem kirchenpolitisch in der Landessynode engagiert.

Judit Marach hat erst mit der Zeit gelernt, offener mit ihrem jüdischen Glauben umzugehen. „Ich habe immer wieder vor allem verbale antisemitische Anfeindungen erlebt“, erzählt die 22-jährige gelernte Altenpflegerin aus Hannover. Mittlerweile werde sie eher neugierig auf ihren Glauben angesprochen. Auf den Fotos in der Ausstellung trägt Marach Gebetsschal und Kippa, die im Liberalen Judentum auch Frauen erlaubt sind. Stolz lächelt sie in die Kamera.

Marach hat sich mit neun Jahren für das Judentum entschieden. Ihre Mutter stammt aus Israel, ihr Vater ist evangelisch. Wenn sie es mit der Arbeit vereinbaren kann, ist nimmt sie am Freitag am Schabbatgottesdienst in der Synagoge ihrer Gemeinde teil. „Meine Gemeinde ist wie meine Familie“, betont die junge Frau. Für die Zukunft wünsche sie sich für den Umgang mit Juden mehr Normalität, so dass keine Sicherheitsmaßnahmen mehr nötig sind. Über das Foto-Netzwerk zeigt sie daher neben religiösen Bildern wie ihrer Halskette mit dem Davidstern auch viele alltägliche Einblicke wie Spaziergänge mit ihrer Hündin. „Mir ist wichtig, dass ich auch als Mensch wahrgenommen werde und nicht nur als Jüdin.“

Charlotte Morgenthal (epd)

Im Interview

Je vielfältiger und bunter die Welt der Religionen wird, umso wichtiger ist es, dass wir einander kennen lernen. In der interaktiven Wanderausstellung „Religramme – Gesichter der Religionen“ begegnen Sie zwanzig Frauen und Männern aus zwanzig Religionsgemeinschaften. Die Vizepräsidentin der hannoverschen Landessynode, Wencke Breyer, ist in dieser Ausstellung das Gesicht des Christentums.

Im Interview erklärt sie, was das Mitwirken bei diesem Projekt für sie bedeutet.

Redaktion: Wie ist es dazu gekommen und was bedeutet Ihnen diese Rolle in der Ausstellung?

Wencke Breyer: Ich bin von den Verantwortlichen aus dem Haus kirchlicher Dienste angesprochen worden und das Konzept mit einer Mischung aus fester Ausstellung und aktuellen Beiträgen im Social Web sowie dem dadurch entstehenden Diagog hat mir sehr gefallen. Für mich ist es schon was besonderes, dabei sein zu dürfen. Dabei zu sein bei dieser neuen Form des Dialogs und vor allem auch damit aufzuzeigen, wie vielfältig Niedersachsen auch in seinen Religionen und vor allem da dann auch nochmal innerhalb der einzelnen Ausprägungen ist und wie unterschiedlich Menschen ihren Glauben im Alltag leben.