Startseite Archiv Tagesthema vom 22. Januar 2016

Am Ziel

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Vor meinem inneren Auge tauchen die Bahnen der Läufer auf. Konzentriert hocken sie in der Startposition. Jahrelang haben sie trainiert, und jetzt warten sie auf den Lauf. Endlich kann jeder zeigen, was er kann. Und dann der ersehnte Schuss! Die Läufer ziehen ihre Bahn, geben ihre Höchstleistungen, recken ihre Brust nach vorne, um als Erster durch die Ziellinie zu kommen. Einer ist Sieger, die anderen sieben müssen sich mit den weiteren Plätzen begnügen. So ist es beim Wettkampf.

Der sportliche Wettkampf wird für Paulus zu einem Bild für den Glauben. Genauso wie Sportler sollen wir darauf ausgerichtet sein, den Siegeskranz zu erreichen. Geistlicher Leistungssport auch für Christen.

Die einen sehen im Leistungssport das Messen der Kräfte und den Wettbewerb der Athleten. Es muss erhebend sein, wie bald in Brasilien in das Olympiastation einziehen zu dürfen. Unbeschreiblich die Begeisterung, ganz oben auf dem Treppchen die Goldmedaille in Empfang zu nehmen. Die Kehrseite ist der oft jahrelange Verzicht auf viele Annehmlichkeiten, das Trainieren jeden Tag. Ich denke an die Versuchung, durch Doping noch mehr aus dem Körper herauszuholen. Etwas, was man auch von Studierenden hört, die vor Prüfungen Pillen schlucken, um die geistigen Leistungen in Höchstform zu bringen. Wie Paulus über seinen Körper spricht, ist für mich befremdlich: „Ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn ...“ (Vers 27).

Ein solches Leistungsdenken und dieser Umgang mit dem Körper sind für mich nicht anziehend. Ein Mann, Mitte 50, erzählte mir, wie er als leitender Angestellter eine hohe berufliche Position innehatte. Ehrenamtlich war er im Kirchenvorstand aktiv, verwaltete den Friedhof und hatte den Vorsitz. Er merkte zu spät, dass sein Körper dieses hohe Pensum nicht vertrug. Er war ausgebrannt, konnte nicht mehr zur Arbeit gehen und ist jetzt Frührentner. Auch unter den Hauptamtlichen in der Kirche gehört es zum „Sport“, den vollen Terminkalender zu zeigen. Dieses christliche Leistungsdenken will ich nicht fördern. 

Was mich im Bild des Paulus anspricht, ist die Zielstrebigkeit. Der Sportler hat ein Ziel. Was sind Ziele eines Christenmenschen? „Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und vom ganzen Gemüt.“ – „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Dieses Doppelgebot der Liebe ist für mich ein geistlicher Siegeskranz, nach dem ich streben möchte.

Wenn ich Gott liebe, danke ich ihm für meine Gaben und Fähigkeiten. Und setze diese zum Wohle der Menschen ein. „Gott lieben, den Nächsten wie mich selbst.“ Das ist für mich ein dreifaches lohnendes Ziel. Zur Selbstliebe gehört aber, sich als Ehrenamtliche oder Hauptamtliche in der Kirche nicht zu überfordern. Gott will nicht, dass ich für ihn meine Gesundheit ruiniere, meinen Körper knechte. „Sich selbst zu lieben“ bedeutet, darauf zu achten, was ich brauche, um geistig, seelisch und körperlich gesund zu bleiben. Um danach wieder für andere da sein zu können. Zur richtigen Zeit „Nein“ zu sagen oder mitzuteilen: „Ich bin dann mal weg ...“ Das bedarf der Steuerung und Disziplin. Hier will ich gerne von Sportlern lernen.

Bernd Ranke

Der Text

Wisst ihr nicht, dass die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, dass ihr ihn erlangt. Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen.

(Aus 1. Korinther 9, 24-27)

Der Autor

Bernd Ranke, Pastor in Hardegsen