Startseite Archiv Tagesthema vom 07. September 2015

„Zusammen besser leben“ - Teil 2

Erstmals wird an diesem Freitag in Göttingen ein ökumenischer Dankgottesdienst für Helfer und Retter gefeiert. Der Dank richte sich an Mitarbeitende in den Rettungsdiensten, Haupt- und Ehrenamtliche aus der Feuerwehr, Polizisten und Notfallseelsorger, sagte ein Sprecher des evangelischen Kirchenkreises. „Jede und jeder von ihnen übernimmt in der Stadt und dem Landkreis Göttingen eine wichtige Aufgabe.“ Der vom ökumenischen Arbeitskreis Notfallseelsorger initiierte Gottesdienst beginnt um 17 Uhr in der St. Johanniskirche.

Der Gottesdienst findet anlässlich der derzeitigen „Woche der Diakonie“ statt. Die landesweite Woche steht unter dem Motto „Zusammen besser leben“.

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„Für uns zählt nicht, wo man herkommt, sondern wo man hin will.“ Unter diesem Motto mit Blick auf Flüchtlinge trafen sich die Vizepräsidenten und Vorstandsmitglieder der Arbeitnehmerseite der nord- und nordostdeutschen Handwerkskammern in Caputh am Schwielowsee im Landkreis Potsdam-Mittelmark von Brandenburg vom 28. bis 30. August. Sie arbeiteten thematisch unter diesem Slogan der Imagekampagne des Handwerks, der eben Flüchtlinge als Chance auch für das Handwerk sieht. Zugleich forderten die Teilnehmer bessere Rechtssicherheit für den Bleibestatus von Flüchtlingen und eine strukturiertere Sprachvorbereitung der Neuankömmlinge.

Eingeladen hatten die Landesvertretung der Handwerkskammern Niedersachsen und der Ökumenische Landesarbeitskreis Handwerk und Kirchen in Niedersachsen sowie die Handwerkskammer Potsdam, die in diesem Jahr Ausrichterin der jährlich stattfindenden Tagung war. Als Referenten konnten der Bildungsminister des Landes Brandenburg, Günther Baaske, die Generalsuperintendentin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Heilgard Asmus und der Ministerialrat aus dem Bundesinnenministerium, Dr. Christian Klos, begrüßt werden.

Zum Programm gehörte auch ein Treffen mit dem berlin-brandenburgischen Flüchtlingspfarrer Bernhard Fricke, sowie Vertretern der Kirchengemeinde und des „Netzwerks der Hilfe“ Caputh. Diese unterstützen Flüchtlinge in einem benachbarten Auffanglager.

„Wir wollen mit dieser Tagung zum Ausdruck bringen, dass im Handwerk der Mensch nicht danach beurteilt wird, woher er kommt. Flüchtlinge und Asylsuchende sind uns als Mitarbeiter grundsätzlich willkommen, denn das ‚ehrbare Handwerk‘ begegnet dem Menschen so, wie es seiner Würde entspricht“, sagen die Initiatoren der Tagung. „Wir freuen uns, wenn Menschen bei uns eine berufliche Heimat suchen. Wir sind dabei offen, uns auf Neues einzulassen. Wir sind lernfähig und auch lehrfähig, denn von uns kann man lernen.“

In der Presseerklärung wiesen die Veranstalter weiter darauf hin, dass sich zur Zeit im Handwerk eine Vielzahl von Projekten entwickeln, durch die Flüchtlinge und Asylsuchende in den Arbeitsmarkt und damit auch in unsere Gesellschaft integriert werden sollen. Wenn dies gelingen solle, müsse allerdings die Rechtssicherheit für die Betriebe gewährleistet sein. Das bedeute, dass Menschen mit einer Flüchtlingsbiographie, die eine Ausbildung beginnen, während der Dauer der gesamten Ausbildung, sowie mindestens zwei weitere Jahre, ein Bleiberecht garantiert werden müsse.

Als Schwachpunkt wurde die Sprachvorbereitung angesehen. „Bis heute gibt es noch kein gesichertes Verfahren, wie flächendeckend Deutsch gelehrt werden soll“, so Michael Koch, der Hauptgeschäftsführer der Landesvertretung der Handwerkskammern Niedersachsen. Die Sprache sei aber die erste Voraussetzung für eine gelingende Integration.

In seiner Predigt im Sonntagsgottesdienst der Caputher Kirchengemeinde, den die Teilnehmer besuchten, sprach Pastor Claus Dreier, Geschäftsführer des Landesarbeitskreises Handwerk und Kirchen, über die biblische Geschichte von Kain und Abel. Jeder Mensch, so der Hannoversche Handwerkspastor, „muss lernen, wie das Leben geht; wie man es hinbekommt, in Frieden miteinander zu leben, ohne dass irgendwann einer den anderen erschlägt, ein Volk das andere bekriegt, Flüchtlinge nicht ankommen dürfen und so die Menschlichkeit selbst auf der Strecke bleibt.“ Kains Weg der Gewalt, so der Referent im Haus kirchlicher Dienste weiter, führe in die Irre. „Wer aber glaubt, dass es keinen Kampf geben muss, dass jeder Mensch ein Recht auf Leben hat, weil jede und jeder von Gott geliebt wird, der ist auf dem Weg des Friedens.“

Mit Betroffenheit nahmen die Tagungsteilnehmer die aktuellen Anschläge auf Flüchtlingsheime und die damit verbundene oft menschenverachtende Diskussion zur Kenntnis. Am Ende der Tagung brachten sie eine Solidaritätsbekundung für alle, die Flüchtlingen helfen, zum Ausdruck und begrüßten konkrete Beiträge zur Integration.

Gunnar Schulz-Achelis, Haus kirchlicher Dienste

„...Deutschland ist durch die Reformen im Zuwanderungsrecht für qualifizierte Fachkräfte deutlich attraktiver geworden. Das bestehende Zuwanderungsrecht ist allerdings grundsätzlich arbeitsplatzorientiert und Zuwanderung zur Beschäftigungsaufnahme nur dann möglich, wenn ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegt. Die ungünstige demografische Entwicklung und der zunehmende internationale Wettbewerb um qualifizierte internationale Fachkräfte machen es erforderlich, dass daneben verstärkt auch Möglichkeiten für eine Potenzialzuwanderung eröffnet werden...“

Nach langem Leidensweg teils auch zu Fuß über Ungarn und Österreich nach Deutschland haben am Sonntag knapp 900 Flüchtlinge Niedersachsen erreicht. Sie sind am Sonntag Früh (6. September) am Braunschweiger Hauptbahnhof angekommen, sagte Matthias Eichler, Sprecher des Innenministeriums. Allein 500 seien mit Bussen zu Notunterkünften nach Lüchow weitergereist. Weitere seien in Braunschweig, Hannover und Hameln untergekommen. „Wir haben alle untergebracht“, betonte Eichler.

Chancen statt Ängste

Nur drei Stimmen von vielen aus der Wirtschaft, die sich in der Flüchtlingsdebatte sehr einig ist: Angst vor Überforderung durch zu viele Zuwanderer hat hier niemand. „Deutschland muss das Arbeitsmarktpotenzial der vielen Asylbewerber mit Bleibeperspektiven besser nutzen“, sagt Alexander Wilhelm, Arbeitsmarktexperte der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA), dem größten Lobbyverband der deutschen Wirtschaft.

Der fehlten Fachkräfte - in Branchen wie der Pflege und in manchen Handwerksberufenen schon heute, erst recht aber in Zukunft. „Unter den vielen Flüchtlingen sind Menschen mit Kompetenzen und Berufserfahrung, die die deutsche Wirtschaft braucht.“ Sie sollen schneller auf den Markt, fordern die Arbeitgeber: Flüchtlinge dürfen drei Monate nach einem bewilligten Asylantrag arbeiten - aber nur, wenn es keinen geeigneten Bewerber aus Deutschland oder einem anderen EU-Land gibt. 15 Monate gilt diese sogenannte Vorrangprüfung. „Sechs sind völlig ausreichend, um Menschen, die sowieso nicht in Deutschland bleiben dürfen, herauszufiltern“, findet Wilhelm.

Für Hochqualifizierte und in Mangelberufen wurde der Vorrang bereits abgeschafft. „Ein richtiger Schritt“, sagt Wilhelm. Aber eben noch nicht genug. Der Verband fordert neben einem Bleiberecht für Auszubildende vor allem die Förderung legaler Arbeitsmigration. Auch abgewiesene Asylbewerber sollen in sie wechseln können - „und zwar ohne, dass sie vorher ausreisen müssen.“ Voraussetzung: Sie sind qualifiziert.

„Dieser Teil der Flüchtlingsdebatte ist sehr stark von einem Nützlichkeitsdenken geprägt“, kritisiert Migrationsforscherin Sabine Hess von der Universität Göttingen. Nützliche Fachkräfte sollen die Wirtschaft stärken, die Überalterung der Gesellschaft abfedern: „Es sind aber Menschen, die hier ankommen.“

Arbeit integriert

Dennoch sei diese Sicht in der Debatte nützlich, findet Hess. Sie zeige, wie weit von der Gesellschaft entfernt Politiker seien, die mit Ideen wie Taschengeld-Streichung auf Abschreckung der Flüchtlinge setzen. „Die meisten Deutschen wollen Flüchtlinge aufnehmen, das zeigen die vielen ehrenamtlichen Helfer“, sagt Hess. „Und die Vertreter der Marktwirtschaft wollen es auch: Deutlicher geht es nicht.“

Auch Herbert Brücker vom Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit begrüßt die Forderungen der Wirtschaft - vor allem für die Flüchtlinge. „Je länger jemand aus seinem Beruf ausscheidet, desto schwieriger wird es wieder einzusteigen: Das gilt auch für diese Zuwanderer“, sagt Brücker. „Und Arbeit integriert in die Gesellschaft.“

Der Migrationsforscher sieht zu viele Hürden für Asylbewerber. „Es funktioniert ja derzeit nicht einmal, alle Asylanträge zu registrieren“, sagt Brücker. „Auch das verzögert den Eintritt in den Arbeitsmarkt.“

Wie viele begehrte Fachkräfte die Wirtschaft unter den jetzt Angekommenen finden wird, könne man jedoch noch nicht belastbar sagen. Ein Fünftel habe einen Hochschulabschluss, viele hätten aber auch keine abgeschlossene Ausbildung. „Probearbeiten ist eine gute Möglichkeit, Berufserfahrung zu testen und dann gezielt nachzuschulen“, sagt Brücker.

epd