Startseite Archiv Tagesthema vom 17. Juli 2015

Brockensammlung

Die vollständige Darstellung von Archivmeldungen befindet sich noch im Aufbau. Schauen Sie in Kürze noch mal vorbei!

„Brockensammlung“. Als eine, die in Bethel studiert hat, kommt mir natürlich sofort dieses Stichwort in den Sinn. Brockensammlung ist zu einem Synonym geworden für die alljährliche Betheler Kleidersammlung. Viele Gemeinden beteiligen sich regelmäßig daran. „Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts umkommt.“ Das hat sich Friedrich von Bodelschwingh zum Aufruf werden lassen, um den Menschen, deren Not er sah, zu helfen. Was die einen loswer-den möchten, verschafft anderen eine sinnvolle Arbeitsmöglichkeit. Was die einen über ha-ben, verhilft noch anderen zum Broterwerb. Was den einen aus den (Wäsche-)Körben fällt, macht andere satt.

Und die anfängliche Sorge, das reicht nicht, löst sich wundervoll auf: Es reicht eben doch. Bethel, das „Haus Gottes“ in Bielefeld, bietet Menschen mit besonderem Betreuungsbedarf einen nährenden Ort. Auch dort hat alles mal klein angefangen. Spenden wurden gesammelt, erste kleine Häuser gekauft, Unterkünfte geschaffen. Längst ist daraus ein eigener, sich nahe-zu selbst versorgender Stadtteil geworden, mit Pflegeeinrichtungen und Spezialkliniken von internationalem Rang.

Ruhe, Phantasie, und vereinte Kraft helfen, die Not der Menschen zu lindern. „Lasst die Leute sich lagern“ – das ist das erste, wofür gesorgt wird. Erstmal hinsetzen. Ruhe reinbringen und durchatmen. Wunderbar. Das allein tut schon gut. Und dann überlegen, was haben wir, was können wir tun. Ohne die Phantasie eines Friedrich von Bodelschwingh und ohne die Kräfte, die er zur Unterstützung gewinnen konnte, wäre das nie gelungen. Ohne dies wären aber auch die fünf Gerstenbrote und zwei Fische des einen Kindes für die gesamte Menge nie genug gewesen. Nur wenn alle zusammentragen und ihre übrigen Brocken zusammenlegen, kann es reichen.

Noch fünf Tage – so lautet das aktuelle Ultimatum für Griechenland, während ich diese Zei-len schreibe. Auch da braucht es Menschen, die Ruhe ins Chaos bringen: „Lasst die Leute sich lagern“. Phantasten, ja „Virtuosen des Heiligen Geistes“ und vereinte Kräfte sind vonnö-ten, die noch jeden Brocken aufsammeln, damit endlich Reformvorschläge auf den Tisch kommen, die die Schuldner zufrieden stellen und den Griechen ihren Broterwerb ermögli-chen.

Und schließlich möchte ich selber darauf vertrauen können, dass auch ich im „Haus Gottes“ immer wieder einen Lagerplatz angeboten bekomme, wenn ich in Nöten bin. Wenn ich wie der Ochs vorm Berge stehe und meine Körbe leer sind. Dass auch mir Phantasie und vereinte Kräfte zur Hilfe kommen, die mir sammeln helfen. Der Mensch lebt schließlich nicht vom Brot allein. Aber fünf Brote und zwei Fische können reichen, Tausende satt zu machen. Ja, auch wenn ich selber nur ein kleiner Brocken bin, möchte ich doch Teil des Ganzen gezählt werden, das anderen wie das tägliche Brot zum Leben verhilft.

Marianne Gorka

Der Text

Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen, soviel sie wollten. Als sie aber satt waren, sprach er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts umkommt. Da sammelten sie und füllten von den fünf Gerstenbroten zwölf Körbe mit Brocken, die denen übrig blieben, die gespeist worden waren. Als nun die Menschen das Zeichen sahen, das Jesus tat, sprachen sie: Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll.

(Aus Johannes 6,1-15)

Die Autorin

Pastorin Marianne Gorka leitet das Posaunenwerk der Landeskirche Hannovers