Startseite Archiv Tagesthema vom 05. Juli 2015

Wenn der Todeswunsch drängt

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Patientenschützer haben am Rande der Sterbehilfe-Debatte im Bundestag davor gewarnt, den Suizid als unabwendbaren persönlichen Wunsch zu betrachten. Aufgabe der Gesellschaft dürfe es nicht sein, Suizidwünsche stillschweigend hinzunehmen oder sogar zu befördern, sagte der Vorsitzende der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch in einem Interview mit der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ (02. Juli 2015).

Genau das schleiche sich jedoch seit einigen Jahren ein, betonte Brysch: „Sogenannte Sterbehelfer bieten den Tod in den Gelben Seiten an. Es entsteht ein Sog, der Alte, Schwerstkranke und Depressive mit sich reißt.“ Er erfahre täglich von Menschen, die anderen nicht zur Last fallen wollten.

Der Patientenschützer forderte einen Wechsel im Gesundheitssystem, das bislang allein auf Heilung setze. „Lindern und Pflegen kosten Geld.“ Der Gesetzgeber müsse die Prioritäten ändern. „Viel Geld würde frei, wenn Menschen nicht in Therapien und Operationen gedrängt würden, die keine Lebensqualität bringen.“

Der Bundestag diskutierte am Donnerstag erstmals die Vorschläge von vier Parlamentariergruppen. Sie reichen von der grundsätzlichen Erlaubnis für die Arbeit von Sterbehilfevereinen bis zum strikten Verbot der Sterbehilfe.

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Der Bundestag diskutiert darüber, ob es erlaubt sein soll, Menschen beim Suizid zu helfen. Ein besonderer Fall ist, wenn Patienten entscheiden, sich durch Fasten selbst das Leben zu nehmen. Umstritten ist aber, welche Rolle den Ärzten dabei zukommt.

Grundsätzlich müsse man den Wunsch eines Menschen, durch Fasten zu sterben, respektieren, sagt Michael Coors. Er ist Theologischer Referent am Zentrum für Gesundheitsethik an der Evangelischen Akademie Loccum in Hannover. Voraussetzung sei allerdings, dass der Patient bei klarem Verstand sei und die Entscheidung nicht aus einer Depression heraus falle.

Tatsächlich sei es letztlich immer eine Ermessensfrage, ob der Todeswunsch eines Patienten wirklich freiverantwortlich gefallen sei, betont Coors. An diesem Punkt geraten Ärzte immer wieder in Gewissenskonflikte. Medizinern untersagt derzeit in der Regel das Standesrecht der Bundesärztekammer, nicht jedoch das Strafrecht, eine Hilfe beim Suizid, die ansonsten für jeden anderen Bürger straflos ist. Viele Mediziner sehen die Begleitung von Menschen, die sterbefasten, aber nicht als Beihilfe zum Suizid. Denn der Arzt unterstützt die Selbsttötung nicht aktiv, sondern unterlässt lediglich die Zwangsernährung.

Entscheidend sei aber, dass der Arzt die moralische Pflicht habe, mit dem Patienten über Alternativen zur Selbsttötung zu sprechen, sagt Coors. Meist sei es die Angst vor Schmerzen und vor dem Alleinsein, die Patienten dazu bringe, ihren Selbstmord zu planen, berichtet Hardinghaus: „Man muss dem Patienten diese Angst nehmen.“ Zum Beispiel durch eine gute Betreuung und die Versorgung mit Schmerzmitteln.

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Nicht einfach hinnehmen

Am 2. Juli 2015 hat der Bundestag in erster Lesung über eine rechtliche Regelung der Hilfe zur Selbsttötung beraten. Bisher ist diese kein Straftatbestand, wenn es sich um Hilfe bei einem freiverantwortlichen Suizid handelt. Das ärztliche Berufsrecht verbietet die Hilfe zur Selbsttötung allerdings in 10 von 17 Landesärztekammern.

Die Vorschläge in der Bundestagsdebatte reichen von einem Verbot jeglicher Suizidhilfe, über ein Verbot geschäftsmäßiger Suizidhilfe bis hin zu Gesetzentwürfen, die definieren unter welchen Bedingungen Hilfe zur Selbsttötung (dann auch für Ärzte) zulässig sein soll.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat betont, dass die Entscheidung einer Person zum Suizid nicht einfach hingenommen werden sollte. Vielmehr verlangt die besondere Wertschätzung des menschlichen Lebens als einer Gabe Gottes, mit der betroffenen Person in erster Linie nach Alternativen zu suchen, die es erlauben das Leben anzunehmen. Die Hilfe zur Selbsttötung kann darum nur in Ausnahmefällen als individuelle Gewissensentscheidung vertretbar sein, nicht aber als ein geschäftsmäßig organisiertes Angebot.

Dr. theol. Michael Coors und Dr. med. Andrea Dörries