Startseite Archiv Tagesthema vom 11. Juni 2015

Recht auf Transparenz

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Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister gehört als Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) der vom Bundestag eingesetzten Endlager-Kommission an. Sie soll bis voraussichtlich Ende 2016 die eigentliche Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle vorbereiten und eine Bewertung des Endlagersuchgesetzes vornehmen. Im epd-Gespräch zieht Meister nach einem Jahr Beratungen eine Zwischenbilanz. An diesem Wochenende befasst sich auch eine Tagung der Evangelischen Akademie Loccum, an der der Landesbischof teilnimmt, mit dem Thema.

epd: Vor einem Jahr ist die Endlager-Kommission mit dem Auftrag an den Start gegangen, die Suche nach einer Lagerstätte für hochradioaktive Abfälle vorzubereiten. Wie weit ist die Kommission damit bis jetzt gekommen?

Ralf Meister: Ein zügigerer Start wäre wünschenswert gewesen. Allerdings haben gerade die unterschiedlichen Positionen und der einzigartige Auftrag auch Zeit gekostet, bis es zu einer flüssigeren Arbeitsweise gekommen ist. Die Kommission steckt nun mitten in der Arbeit. Alle Sitzungen und fast alle Dokumente der Anhörungen sowie alle Beschlüsse stehen auf der Homepage. Leitbegriffe wie Transparenz, Konsens und Öffentlichkeits-Beteiligung sind auf ihre Substanz überprüft worden. Wissenschaftliche Fragen wurden durch Anhörungen aktualisiert.

epd: Bürgerinitiativen bemängeln das Fehlen einer breiten gesellschaftlichen Debatte zur Atommüllentsorgung. Die neu gestartete Endlagersuche beginne nicht mit einem gesellschaftlichen Konsens, sondern einem Parteienkompromiss, entsprechend sei auch die Kommission zusammengesetzt. Das sei zu wenig Substanz für ein Jahrtausendthema. Haben diese Kritiker recht?

Meister: Es besteht zu Recht der Anspruch, diese politische Aufgabe gemeinsam zu gestalten. Allerdings glaube ich, dass die Kommission nur ein kleiner Schritt auf diesem Weg ist. Die Kommission beschließt nicht die Festlegung eines Standortes, sondern legt einen Kriterienkatalog vor. Dieser Katalog muss jedoch schon während der Arbeit der Kommission diskutiert werden und kritische Stellungnahmen müssen auch Eingang in den späteren Kommissionsbericht erhalten.

epd: In der Atommüll-Politik klemmt es an allen Ecken und Enden. Müsste nicht zunächst bilanziert werden, wie viel und was für Arten von Atommüll es überhaupt gibt?

Meister: Die für Deutschland erhobenen und dokumentierten atomaren Hinterlassenschaften gehören in eine vollständige und stetig zu aktualisierende zentrale Datenbank. Nach meinem Dafürhalten wird das eine Forderung im Bericht der Kommission sein. Vorhandener und in Zukunft anfallender Atommüll muss vollständig und klar bilanziert werden. Eine solche Datenbank gehört in die öffentliche Hand.

epd: Probleme gibt es auch bei den schwach und mittelradioaktiven Abfällen. Das Endlager Schacht Konrad wurde für 303.000 Kubikmeter schwach und mittelradioaktive Abfälle genehmigt, das Volumen dieser Abfälle ist aber mindestens doppelt so groß. Gehört Konrad nicht auch auf den Prüfstand?

Meister: Für mich geht es um die Frage, ob die zwischen 1975 und 1982 vorgenommenen Analysen und Prüfungen des Standortes Konrad noch belastbar sind. Wenn wir heute daran Zweifel haben, dann stellt sich die Frage nach einem zusätzlichen Einlagerungsvolumen nicht mehr. Konrad ist zwar genehmigt, aber dieser Umstand darf zu keiner Phase als formal-juristisches Argument gegen besseres Wissen ins Feld geführt werden. Die Menschen am Schacht Konrad haben das gleiche Recht auf Transparenz, Dialog und auch Konsens wie die Menschen an den zukünftigen Deponiestandorten für hochradioaktive Abfälle.

epd: Die Suche nach einem Endlager soll auf einer weißen Landkarte erfolgen. Gorleben ist als einziger möglicher Standort benannt. Ist das nicht ein Widerspruch?

Meister: Die Endlagerpolitik hat in der Vergangenheit Spuren hinterlassen. Das gilt für die großen Investitionen in den Bau von Zwischenlagern und die Erkundung des Salzstocks Gorleben, für die Castortransporte und für den Widerstand. Man sollte sich deshalb nicht der Illusion hingeben, es gäbe eine „weiße Landkarte“. Gorleben bleibt als Denkmal für eine umstrittene Endlagerpolitik immer in der Diskussion.

epd: Die AKW-Betreiber gehen mit Klagen gegen das Standortauswahlgesetz vor, weil sie weiter auf Gorleben setzen und für die Erkundung eines anderen Standortes nicht zahlen wollen. Gleichzeitig sollen die Vertreter der Energiekonzerne in der Kommission unvoreingenommen nach einem Endlager-Standort suchen. Wie passt das zusammen?

Meister: Die Klagen der Energieversorger belasten die Kommissionsarbeit. Auf der anderen Seite bietet die öffentliche Arbeit der Kommission eine Plattform, um über diese Klagen zu diskutieren. So ist eine Arbeitsgruppe eingerichtet, in der die Unternehmen den Hintergrund und die Absicht ihrer Klagen offen legen und in das öffentliche Protokoll der Kommission mit einspeisen. Das ist meines Erachtens ein wichtiger Fortschritt.

epd

Halbzeit für die Kommission - Fortschritte im Prozess?

Vor gut einem Jahr nahm die Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ (Endlagerkommission) ihre Arbeit auf. Um alle Aufgaben bewältigen zu können, bildete das 33-köpfige Gremium drei Arbeitsgruppen, und zwar eine AG I „Gesellschaftlicher Dialog, Öffentlichkeitsbeteiligung und Transparenz“, eine AG II „Gesellschaftliche und technisch-wissenschaftliche Entscheidungskriterien sowie Kriterien für Fehlerkorrekturen“ und eine AG III „Evaluierung (des Standortauswahlgesetzes)“.

Nach einer anfänglichen Klärungs- und Findungsphase liegen nun erste Ergebnisse der drei Arbeitsgruppen vor. Diese sollen auf der Tagung vorgestellt und miteinander diskutiert und kritisch bilanziert werden.