Startseite Archiv Tagesthema vom 12. Mai 2015

Kein willkürliches Kaufverhalten

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Warum ist das Thema Einkauf und Konsum für den Klimaschutz so wichtig?

Reinhard Benhöfer: In der Produktion und beim Handel ist für Herstellung und den Transport von Gütern Energie notwendig. Ebenso wird beim Gebrauch vieler Güter Energie verbraucht. Auf allen drei Ebenen (Produktion, Handel, Gebrauch) ist der Energieeinsatz bei Gütern mit vergleichbarem Nutzen sehr unterschiedlich. Energieaufwand und Treibhausgasemissionen stehen in einem sehr engen Zusammenhang. Energieeinsparen ist also sowohl um der Ressourcenschonung als auch um der Verringerung der Treibhausgasemissionen dringend geboten. Ein gutes Beispiel ist der Bereich Ernährung. Die meisten Treibhausgase fallen bei tierischen Erzeugnissen an. Hier gibt es zwischen unterschiedlichen Produktionsweisen erhebliche Unterschiede in der Klimarelevanz. So werden für tierische Produkte im konventionellen Bereich in Niedersachsen Flächen für die Futtermittelproduktion in Lateinamerika benötigt, die in etwa der Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche Niedersachsens entsprechen. Diese Futtermittel bestehen zum größten Teil aus Soja, Soja ist somit der wichtigste Eiweißlieferant für die landwirtschaftlichen Nutztiere Niedersachsens. Um Soja zu produzieren, sind in den vergangenen Jahrzehnten im großen Stil Urwald- und andere Flächen in Lateinamerika, die bislang sehr viel CO2 gebunden hatten und obendrein kontinuierlich weiter gebunden hätten, in Ackerland umgewandelt worden. Außerdem wird für die Sojaproduktion wiederum viel Energie aufgewendet, ganz zu schweigen von den Problemen des Pestizideinsatzes, der Genmanipulation, der Vertreibung von Kleinbauern, den Treibhausgasemissionen beim Transport. Bioland-Bauern dürfen keine lateinamerikanische Importsoja verwenden. Wer z. B. Bioland-Fleisch kauft oder andere tierische Bioland-Produkte, der hat damit keinen Anteil an der Verursachung aller Umwelt-, Klima- und sozialen Folgeschäden der Erzeugung konventioneller tierischer Produkte.

Was sollen Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen zukünftig ändern?

Reinhard Benhöfer: Sie sollen zunächst einmal erfassen, was, in welcher Qualität, in welchen Mengen, zu welchen Kosten, wo eingekauft wird und von wem. In der Regel läuft der Einkauf von Kirchengemeinden über verschiedene Akteure und ist nicht systematisiert. Dann wird man sich vergegenwärtigen, nach welchen Kriterien bislang eingekauft wurde. Meistens sind von besonderer Bedeutung Bequemlichkeit, Gewohnheit (persönliche Vorlieben und Überzeugungen), wenig belegbare Qualitätsmaßstäbe, Kosten, Zeitaufwand. Die Bewahrung der Schöpfung, der Arbeitsbedingen der Produzenten spielen nur selten eine Rolle. Der Kirchenvorstand sollte gemeinsam mit den Menschen, die für die Gemeinde einkaufen (nicht nur Güter, auch Dienstleistungen), Standards festlegen und priorisieren, die klar definierten Zielen kirchlicher Beschaffungspraxis dienen. Intuitives oder willkürliche Kaufverhalten von Kirchengemeinden (wie von Privatpersonen), das nicht das Kriterium der Schöpfungsbewahrung berücksichtigt, richtet einen nicht zu legitimierenden Umweltschaden an.

Welche Nachhaltigkeitsstandards werden für ein neues Beschaffungs-Verhalten entwickelt?

Reinhard Benhöfer: Soziale Standards: Kann der Verkäufer belegen, dass bei Importprodukten die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) eingehalten werden? Gibt es das zu kaufende Produkt mit einem anerkannten Siegel, das faire Produktionsbedingen garantiert? Wer diese Fragen stellt, kann sich nicht mehr darüber freuen, für 7,50 € ein T-Shirt mit dem Logo der Kirchengemeinde an seine Konfis verteilen zu können.

Ökologische Standards: Umweltschutz und Ressourcenverbrauch, im Einzelnen besonders der Energieverbrauch bei Produktion, Transport und Gebrauch, die Auswirkungen auf die Biodiversität, die Vermeidung von Schadstoffen, die Langlebigkeit von Produkten. Hier helfen eine Reihe von Labels.
Ökonomische Standards: das Kosten-Nutzen-Verhältnis, die Auswirkung für Arbeitsplätze und für die Konzentration wirtschaftlicher Macht.

Mit welchen Mitteln und Strategien werden die Gemeinden, Einrichtungen und auch Einzelpersonen informiert, beraten und geschult?

Reinhard Benhöfer: Die Klimaschutzmanagerin Sonia Erdmann bietet für Kirchengemeinden und andere kirchliche Institutionen Schulungen und Materialien an, die es allen ermöglichen, Nachhaltigkeitsstandards in der Beschaffung zu berücksichtigen. Das bundesweite, kirchliche Projekt „Zukunft einkaufen“ hat eine umfangreiche Homepage erstellt, auf der Informationen und Materialien angeboten werden.

Gibt es derzeit bereits kirchliche Initiativen im Bereich Klimaschutz und Konsumverhalten?

Reinhard Benhöfer: Hier ist auf das Projekt „Zukunft einkaufen“ zu verweisen. Diese ökumenische Initiative ermöglicht es allen Institutionen, sich Beschaffungsordnungen zu geben und ihre Beschaffung auf mehr Umwelt- und Klimaschutz auszurichten. Einzelne Gemeinden, die beim Grünen Hahn mitmachen, haben sich bereits Beschaffungsordnungen gegeben. Das Landeskirchenamt und das Haus kirchlicher Dienste arbeiten an Beschaffungsordnungen.

„Saubere Energie“ teilen

„E-Mobilität und emissionsfreies Fahren ist wichtig für mich. Auch weil ich eine eigene Photovoltaik-Anlage betreibe und damit eigenen Strom erzeuge.“ Das sagt Claus Wahlers, Diakon der Kirchengemeinde in Visselhövede und wohnend in Bülstedt im Landkreis Rotenburg/Wümme.

Wahlers ist einer von insgesamt vier Teilnehmenden an einem Carsharing Vorhaben, das in diesen Tagen in der Samtgemeinde Tarmstedt startet. Dabei werden fünf rein elektrisch betriebene e-Golfs zum Einsatz kommen. Claus Wahlers ist von der Idee angetan, sein Auto mit einer „sauberen Energie“ zu versorgen. Der Arbeitsweg von Bülstedt nach Visselhövede betrage rund 100 Kilometer. Dafür reiche die Batteriefüllung des e-Golfs locker. Der von ihm regenerativ gewonnene Strom versorgt das eigene Elektroauto. Die Nutzung eines e-Golfs stehe für ihn symbolisch für eine künftige Ausrichtung der Mobilität und für den Klimaschutz.

„Für mich“, so Wahlers, „sind Verbrennungsmotoren im 21. Jahrhundert nicht mehr zeitgemäß.“ Auf die Idee des Carsharings ist Claus Wahlers gekommen, weil er mehrere Wohnungs-Mieter auf seinem Hof hat. Acht Autos stünden zeitweilig vor den Gebäuden, etliche davon würden nur selten genutzt. An dieser Stelle setze das Carsharing an, indem durch eine gemeinsame Nutzung Ressourcen geschont würden. Der Bülstedter: „Hinzu kommt, dass Geld eingespart werden kann.“

Auch durch seine Berufstätigkeit in der Kirchengemeinde Visselhövede komme er immer wieder mit diesen Gedanken in Berührung. Auf den Pfarrhäusern der Kirchengemeinde sei eine PV-Anlage installiert. Claus Wahlers: „Es auch bei Kirchens um Energieeffizienz, CO 2-Einsparung und Gebäudedämmung.“

Und eben auch darum, die Raumnutzung zu optimieren, wie der Diakon es ausdrückt. „Womit wir wieder beim Sharing-Gedanken wären“, schmunzelt der erfahrende Mitfünfziger. Auch wenn die Reichweite von Elektro-Autos noch eine Einschränkung bedeuteten, halte er es für wichtig, dass Menschen „anfangen etwas zu tun“ und ökologisch sinnvolle Dinge in Gang zu bringen. „Ich mache mir schon Sorgen um die Erde, die wir unseren Kindern hinterlassen.“

Shopping - soviel du brauchst

Pastor Matthias Viertel über die Philisophie des Kaufens