Startseite Archiv Tagesthema vom 15. Januar 2015

Gegen die „Fratze der Gewalt“

Kirchenvertreter verurteilen Anschlag auf „Charlie Hebdo“ Nach dem Terroranschlag auf das französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“ warnen Vertreter der Kirche davor, Hass gegen Muslime zu schüren. Das Verbrechen sei durch nichts zu rechtfertigen, erst recht nicht im Namen irgendeiner Religion, sagte der stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende Jochen Bohl. Die Saat des Hasses dürfe jetzt nicht aufgehen.

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Als einen „feigen Mordanschlag“ hat der Leitende Bischof der Vereinigten Lutherischen Kirchen Deutschlands (VELKD), Gerhard Ulrich, den Terrorangriff bezeichnet. „Wir schließen uns in Trauer zusammen mit denen, die liebe Menschen verloren haben durch dieses entsetzliche Verbrechen“, sagte der Landesbischof der Nordkirche. Zugleich rief er dazu auf, „jetzt noch stärker an der Seite der für ein friedliches Miteinander engagierten Muslime und ihrer Gemeinden zu stehen und gemeinsam mit ihnen gegen jeden Hass, gegen jede Gewalt und gegen jede Projektion von Ängsten auf eine oder mehrere Gruppen von Menschen aufzutreten“.

Deutlich werde erneut, „dass wir in unserem Land, in Europa und in der Welt kein ‚Pegida‘-Gedankengut brauchen, im Gegenteil: Zu einem intensiven und lebendigen Dialog der Religionen und Kulturen gibt es keine Alternative.“ Terroranschläge seien weder mit dem Islam noch mit Religion überhaupt zu rechtfertigen: „Unser gemeinsamer Gott Abrahams hat diese Welt geschaffen mit einer Vielfalt von Kulturen und einer Vielfalt von Ausdrucksformen für den Glauben an diesen Gott. Das ist keine Schwäche, sondern eine Stärke. Und diese Stärke gilt es auszubauen.“

Auch der hannoversche Landesbischof Ralf Meister verurteilt den Anschlag: die Morde an den Karikaturisten dürften die Kunstfreiheit nicht beeinträchtigen. „Unsere Kultur hat das Gut der freien Meinungsäußerung in Jahrhunderten sowohl den weltlichen wie auch den religiösen Machthabern abgetrotzt. Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit und Kunstfreiheit sind für mich Errungenschaften, die nicht infrage gestellt werden dürfen – ebenso wenig wie die Religionsfreiheit.“

Zugleich müssten jetzt die Christen den Muslimen zur Seite stehen. Es sei zu befürchten, dass Muslime unter Generalverdacht gestellt würden.

Die „Pegida“-Demonstrationen seien ein Beispiel „für substanzlose generelle Verdächtigungen“. So lange jedoch Gegendemonstrationen sich gegen Ausgrenzungen stellten, sei er hoffnungsvoll, dass die „Pegida“-Bewegung nicht die gesellschaftliche Stimmung dominiere oder das Ansehen Deutschlands schädige, sagte der Ratsvorsitzende der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen.

Christen und Muslime müssten jetzt öffentlich enger zusammenstehen, betonte auch Meister. Gemeinden könnten Dialog-Veranstaltungen anbieten oder demonstrativ eine Moschee besuchen. „Auch ein gemeinsames Essen im Gemeindehaus kann ein Zeichen setzen. Zugleich müssen wir offener über Ängste und Sorgen sprechen, die Christen wie Muslime vor dem radikalen Islamismus haben.“

Religionsgemeinschaften müssen nach Ansicht des Braunschweiger Landesbischofs Christoph Meyns kritische Karikaturen aushalten. Dies gehöre mit zum Rechtsstaat. „Damit müssen auch die Muslime hier im Westen klarkommen.“ Die westlichen Gesellschaften dürften sich ihren freiheitlichen Lebensstil und ihre Kultur „nicht kaputtmachen lassen“, warnte Meyns. „Wir leben in der Freiheit, dass man sich gegenseitig auch kritisch etwas sagen kann.“ Auch die Kirche kritisiere immer wieder den Staat.

Meyns sieht die Ursache für das Attentat in Paris nicht in erster Linie in der islamischen Religion. „Das ist eine Gewaltideologie, die zum Teil den Islam okkupiert hat.“ Der Islam dürfe nicht verwechselt werden mit Islamismus. „Er ist auch nicht per se gewalttätig, so wie keine Religion.“ Die extreme Lesart des Islam gelte es zu bekämpfen. Es gebe aber viele andere friedliche Lesarten des Islam. Gleichwohl sei der Anschlag von Paris „Öl auf das Feuer von Vorurteilen“ gegen den Islam. In der Vergangenheit sei vieles als Motiv für Hass und Gewalt vereinnahmt worden: Nation, Wirtschaft, Religion und sogar Kunst und Musik wie in der NS-Zeit.

Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke, der in der Deutschen Bischofskonferenz für den interreligiösen Dialog zuständig ist, griff das Motto der weltweiten Solidaritätsaktion auf: „‚Je suis Charlie‘ (Ich bin Charlie) – das muss jeder von uns sagen.“ Er stehe an der Seite der Opfer, „auf der Seite der Freiheit der Gedanken und des Wortes.“ Jaschke rechnete damit, dass jetzt Emotionen hochkämen angesichts der „Fratze von Gewalt und Verbrechen“. Aber gerade die Kirche müsse vor einem „Aufschaukeln“ und einer Emotionalisierung zum Zweck parteipolitischer Interessen warnen. Islamisten bildeten „eine verschwindend kleine, aber gefährliche und bedrohliche Gruppe“; sie dürften nicht für die Muslime in Deutschland stehen. Die „übergroße Mehrheit der Muslime bei uns verurteilt die Islamisten ohne Einschränkung“.

Evangelische Zeitung

Verrat am Glauben

Der Koordinationsrat der Muslime verurteilte den Anschlag als „feigen Akt“. Terror habe keinen Platz in irgendeiner Religion, sagte Sprecher Erol Pürlü in Köln.

Der Zentralrat der Muslime rief dazu auf, nicht dem „perfiden Plan der Extremisten auf den Leim zu gehen“, die die Gesellschaft spalten wollten: „Durch diese Tat wurde nicht unser Prophet gerächt, sondern unser Glaube wurde verraten und unsere muslimischen Prinzipien in den Dreck gezogen.“